Deutsches Gedenken: Jeder denkt nur an sich – nur ich denke an mich

Still und leise haben wir plötzlich gleich zwei neue Gedenktage für nach dem 2. Weltkrieg vertriebene Deutsche bekommen:

In Hessen und Bayern wird morgen, am Sonntag, dem 14. September, erstmals ein Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation begangen werden. Er soll an das „Unrecht, das Millionen Menschen nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs widerfahren ist“ erinnern, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Erst am 27. August hatte das Bundeskabinett beschlossen, ab kommendem Jahr immer am 20. Juni einen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung bundesweit abzuhalten – das ist gleichzeitig der Weltflüchtlingstag, der 2000 von den Vereinten Nationen ausgerufen worden war.

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Hakenkreuz und SS-Runen am Helm – Nazi-Symbole bei der ukrainischen Armee

SS-Helm ZDF-Heute 08.09.2014

Hakenkreuz-Helm ZDF-Heute 08.09.2014Das hier sind Soldaten der ukrainischen Armee, offenbar des Asow-Bataillons, das aus rechtsextremistischen Freiwilligen besteht und das in die Armee übernommen worden ist. Heute gesehen in der „Heute“-Sendung im ZDF. Was soll man dazu noch sagen? Welche andere Erklärung gibt es für die demonstrative Verwendung dieser Symbole, als die, dass es sich bei diesen Kämpfern um Nazis handelt?

Nachtrag 12.9.: „Guardian“-Reporter Shaun Walker hat beim Azov-Bataillon bei Mariupol recherchiert: www.theguardian.com/world/2014/sep/10/azov-far-right-fighters-ukraine-neo-nazis (Gegen Putin spricht für Azov-Kämpfer Dmitry u.a., dass er „ein Jude“ sei. So wie Dmitry glaubten viele im Bataillon, dass die Ukraine es nötig hat, „dass ein starker Diktator an die Macht kommt, der viel Blut vergießen, aber in diesem Prozess die Nation einigen könnte“)

Nachtrag 2 12.9. Die Tatsache, dass in der Ukraine Verbände kämpfen, die bewusst die Symbole von SS und Nazis verwenden, welche millionenfach in ganz Europa gemordet haben, bewegt ZDF-Zuschauer und führt dazu, dass mehr Medien darüber berichten: http://www.tagesspiegel.de/medien/ukraine-konflikt-im-zdf-hakenkreuz-und-ss-rune-protest-von-zuschauern/10685462.html

Beseitigen, vernichten, elimieren: Wird die Sprache des Unmenschen wieder salonfähig?

„Sprache ist mehr als Blut“ zitiert Victor Klemperer Franz Rosenzweig am Anfang seiner Untersuchung „LTI – Notizbuch eines Philologen“, in dem er die Sprache des Dritten Reiches untersuchte – als noch kurz vorher durch dieses Regime verfolgter erstellte er darin so etwas wie ein „Wörterbuch des Unmenschen“.

„Kiew, den 06. Mai /Ukrinform/. Im Zuge des Antiterroreinsatzes in Slowjansk wurden am Montag nach Einschätzung der ukrainischen Streitkräfte mehr als 30 Terroristen beseitigt“. Weiterlesen

Nichts ist gut im Irak – eine schlechte Zeit für naive Friedensliebe

Immer dann, wenn sich alle einig sind im Abscheu über einen besonders brutalen Massenmörder auf der Kriegsbühne, kommt eine gewisse Häme gegen die auf, die warnen, dass trotz allem Waffeneinsatz immer was falsches ist, und dass es keinen „gerechten Krieg“ gibt.

So ist jetzt natürlich für Spiegel-Online-Kolumnist Jan Fleischhauer der Zeitpunkt besonders geeignet, sich die naive Waffengegnerin und Pazifistin Margot Käßmann vorzunehmen:

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Unverträgliche Spins (2)

Der US-Ölkonzern Exxon startet mit dem russischen Unternehmen Rosneft gemeinsam, wie schon länger geplant, Ölbohrungen in der Arktis. Rosneft und dessen Chef Igor Setschin stehen auf der „schwarzen Liste“ jener Firmen und Manager, gegen die die USA Sanktionen verhängt haben.

Hier prallen zwei Botschaften („Spins“) aufeinander, die von Spielern auf der politischen Bühne immer wieder ausgesendet werden, damit sie sich in den Köpfen verankern: Weiterlesen

Bosheit aus der Blase

Twitter Selbstverzwergung„Wundervoll“?

Wie sehr leben doch Politiker in ihrer eigenen Blase, in der das Wort „Selbstverzwergung“ schon als ein Höhepunkt an kreativer Pointiertheit  und genau den Kern treffende Polemik angesehen wird. Dabei ist doch – von außerhalb der Blase betrachtet – dies nur eine der ganz normalen Bosheiten, die man nun mal unter politischen Rivalen, Gegnern oder Feinden untereinander austauschen zu müssen glaubt. Eine Bosheit, kurz getwittert, und schon wieder vergessen. Eine Bosheit für Routine-Pressemitteilungen, die herumgemailt werden und meist gleich wieder gelöscht werden.

Das Wort „wundervoll“ bleibt hoffentlich davon unbeschädigt und steht weiter zur Verfügung, um Dinge oder Worte zu bezeichnen, die wirklich einen unschuldig schönen Zauber an sich haben.

 

Der „Gutmensch“: er nervt schon seit 1848

„Ihr guten Menschen seid alle gleich: wenn es nach Euch ginge, kämen wir nie zum Baseballspielen!“

Als der „Gutmensch“ mir das erstemal begegnete, fand ich ihn anfangs noch sehr amüsant und treffend. Im „Wörterbuch des Gutmenschen“ von Klaus Bittermann (1994) machte er sich, wie  ich fand, zu Recht lustig über wohlfeile Betroffenheitsduselei mit ihren immer wieder wiederholten wohlfeilen Nervmetaphern (z.B. dem unsäglichen „Die Mauern in den Köpfen einreissen“).

Dann ergab es sich, dass mit dieser Injurie „Gutmensch“ all die belegt wurden, die der „Political Correctness“ („PC“) für schuldig befunden wurden. Als ich dabei zunehmend den Begriff  „Gutmensch“ hämisch verwendet hörte für Menschen, die es bewusst vermieden, „Neger“ oder „Asylant“ oder „Spasti“ zu sagen, fühlte ich mich zunehmend mitbeleidigt, da ich mir auch das Recht Weiterlesen

„Nicht mein Fehler, monsieur!“

Ich musste heute, als ich las, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Separatisten im Osten seines Landes vorwarf, sie hätten einen „zynischen Akt des Terrors, der bestraft werden wird“, begangen (sie hatten ein Transportflugzeug der ukrainischen Armee abgeschossen, wobei 49 Menschen, darunter 40 Fallschirmjäger, getötet wurden), an Kurt Tucholsky denken, von dem ich vor langer Zeit mal etwas über das Denken des von ihm verachteten deutschen Offizierskorps gelesen hatte. Tucholsky zitierte 1922 aus dem Kriegstagebuch eines Gardehauptmanns, nachdem seine Einheit französische Soldaten gefangengenommen hatte:

„‚Ich fragte einen Gefangenen, wie sie zu der Frechheit kämen, die kaiserliche Garde anzugreifen.‘ Man stelle sich das Bild vor: der eine Kriegsmann fragt den andern von der Gegenseite, wie er sich erlauben könne, zu schießen! Der Franzose gab dem Mann die einzig richtige Antwort: ‚Ce n’est pas ma faute, monsieur!‘, sagte er.“ (Kurt Tucholsky: Ausgewählte Werke, Rowohlt 1965,  S. 262)

 

Putin verstehen ist kein Verständnis für Putin

Wann immer derzeit jemand sich die (notwendige!) Mühe macht, sich und anderen das Verhalten des russischen Präsidenten zu erklären, fällt in der kurzatmigen Verkürzung  der abwertende Begriff „Putin-Versteher“. In diesem Wort schwingt immer mit, dass man sein eigenes Lager, den Westen und all seine Werte, an den Autokraten im Osten verrät – so wie Gerhard Schröder.

Ein „Versteher“ – jemand, der einen anderen versteht, macht doch eigentlich etwas positives: er versetzt sich in einen anderen hinein. Im Deutschen aber hat das Wort „verstehen“ zwei Bedeutungen: Einmal: Weiterlesen

Heinz Schenk ist tot – Meine Lieblingsbüttenrede von ihm 1983

Diese Büttenrede von Heinz Schenk zu Karneval fand ich damals so toll, als ich sie im „Blauen Bock“ hörte – und war begeistert, als ich von einem mir bekannten Schauspieler aus Köln hörte, dass er die Sendung mitgeschnitten hatte, weil er mit einem Kollegen zusammen eine Revue machte, in der sie Heinz Schenk parodierten. Schon das Abtippen der Rede (natürlich noch mit der Schreibmaschine) machte nochmal großen Spaß:

(und gerade sehe ich: Die gibt es ja auch bei Youtube )

Büttenrede Heinz Schenk Karneval 1985

Narhallamarsch, rhytmisches Klatschen.
Heinz: So, erstmal kontrollieren). Die Brill‘ ist dabei und der Vortrag auch, weil, die Brill‘ ist ja sehr wichtig bei solchen Sachen .
(Hebt an) In jedem Jahr zur Fastnachtszeit
wenn man im Lande weit und breit
in Büttenreden, selbst gedichtet,
mit Witz und mit Humor berichtet,
da fragt ma sich, was soll ma bringe,
soll ma politisch zum Gelinge
en Vortrag halte, mal ganz ehrlich,
vor Wahle ist das sehr gefährlich.
Denn einer fühlt bei diesen Reden
sich immer uff den Schlips getreten,
egal, an wem ma übt Kritik –
ich red‘ net über Politik Weiterlesen