Die schönsten Verbotsideen: Fremdsprachenverbot zu Hause (CSU 2014)

Vor zehn Jahren kam aus der CSU eine Idee: Migranten sollten nicht nicht nur bei der Arbeit, in der Schule oder sonstwo in der Öffentlichkeit deutsch sprechen, sondern auch zu Hause. Warum nicht? Man übt die Sprache und unterstützt seine Kinder bei ihrem Erwerb. Aber per VERbot? Oder auch „nur“ als GEbot? Damit zerstört man sich doch sehenden Auges das immer wieder und selten mit Beispielen unterlegte Narrativ der „Verbotspartei“, die man selbst um Gottes Willen nicht sein will. Denn diese andere Partei, die wir gar nicht nennen müssen, die uns alles verbieten will, bekommt frei Haus die Möglichkeit zur Replik geboten: „Wir Verbotspartei? Selber!“

Meine Radioglosse damals, am 8. Dezember 2014:

Meine Frau und ich reden manchmal zu Hause Schwedisch. Es ist kein richtiges Schwedisch, wir können es eigentlich auch gar nicht so richtig, aber es ist quasi unser Privat-Schwedisch – ein echter Weiterlesen

Wie schaut der „Globale Süden“ auf Russlands Angriffskrieg?

Bremsklotz Deutschland? Oder ist der Westen endlich einig bei Waffen für die Ukraine?

Putin lacht sich schlapp – Glosse vom 21. Juni 2018

Russland ist nur noch eine „Regionalmacht“, stichelte damals US-Präsident Barack Obama. Wirtschaftlich spielt Russland weltweit auch eher eine untergeordnete Rolle – da sind die USA, China, Europa wesentlich potentere Player. Wie kann man dennoch mit ihnen mithalten, wenn man nicht fähig ist, im Spiel der Mächte militärisch und wirtschaftlich mitzuhalten? Wem ich nicht mit verführerischen Produkten und anziehenden demokratischen Freiheiten entgegentreten kann, und nicht mal die Überlegenheit eines stärkeren kriminellen Schlägers habe, weil auch da die anderen gut gerüstet sind – dem bleibt als Mittel, den stärkeren Gegner zu zersetzen. Das ist die Kunst der Geheimdienste, der gut geplanten und raffiniert durchgeführten Verschwörungen. Wenn Wladimir Putin in einem erfolgreich war in den letzten Jahren, dann darin!

Diese Glosse schrieb ich vor vier Jahren für eine hr-info-Politiksendung. Ich will jetzt nur darauf hinweisen, dass der „Westen“ sich so um den 24. Februar 2022 darüber klar geworden ist, dass man sich solche Zersetzung und Gespaltenheit nicht leisten kann, wenn man einem brutalen und skrupellosen Geheimdienstler im Kreml entgegentreten will, der sein Nachbarland Ukraine völkerrechtswidrig überfallen hat. Weiterlesen

Egon Bahr 2012: Europa nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit Osteuropa

Heute vor 100 Jahren wurde der SPD-Politiker Egon Bahr im thüringischen Treffurt geboren. 2015 ist er verstorben. Vor genau 10 Jahren. kurz vor seinem 90. Geburtstag, habe ich ihn für „Im Gespräch mit hr-info“ im rbb-Funkhaus in der Masurenallee interviewt, eine knapp 22minütige Sendung. Am Tag  seines 90. Geburtstags stand die vorzeitige Wahl eines neuen Bundespräsidenten an, nachdem Christian Wulff zurückgetreten war und dessen zunächst ihm unterlegener Gegenkandidat Joachim Gauck jetzt nicht nur für SPD und Grüne, sondern auch unterstützt von Union und FDP zum zweitenmal antrat (und dann ja auch gewählt wurde). Das ist schon Zeitgeschichte und war damals eher tagesaktuell interessant (ganz unten die Nachrichtenminute, die ich damals dazu aus diesem Teil des Interviews gemacht hatte).

Aber: was er damals zu Europa gesagt hatte, finde ich gerade derzeit wieder interessant und relevant: Damals gab es eine Kampagne der „Bild“-Zeitung („Noch mehr Geld für Pleite-Griechen? BILD sagt Nein!“) gegen Griechenland und ein neues  „130-Milliarden-Rettungspaket“ für Griechenland. Auch Europa erschien gespalten; reichere Länder wie Deutschland, Niederlande oder Nordeuropäer spielten mit dem Gedanken an einen harten „Nord-Euro“ und einen weicheren „Süd-Euro“, zum Beispiel für „Pleite-Griechen“.

Während Elder-Statesmen – wie Helmut Schmidt oder Helmut Kohl – wie aus der Zeit gefallen wirkten, wenn sie eine stärkere europäische Solidarität beschworen; jüngere Politiker aber – wie die damalige Kanzlerin Angela Merkel und viele andere – mit solchen Europa-Pathos wenig anfangen konnten, ist doch die neueste Entwicklung seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des völkerrechtwidrigen Angriffs von Putins Russland auf die Ukraine, gegenläufig: Geschlossen und einig nach außen tritt die EU und der gesamte Westen gegen Russland auf. So erscheint mir das, was mir Egon Bahr damals gesagt hat, sehr passend zu dieser Zeit:

Bahr: „Die ganze Diskussion über Europa heute ist eine Werbung für die Entpolitisierung! Das ist wirklich schlimm! Wir müssen endlich meines Erachtens zurück zu den Ursprüngen. Das heisst: Was Weiterlesen

„Die 68er Bewegung hatte gar nichts gutes – selbst im Springerkonzern arbeiten sie jetzt“

Gerade habe ich gelesen, dass Klaus Rainer Röhl gestorben ist. Er war „Nazi-Soldat, Kommunist, Meinhof-Ehemann“, so überschreibt die Hamburger Mopo ihren Nachruf. Jutta Ditfurth, die eine Biographie seiner Ex-Frau Ulrike Meinhof geschrieben hat, verweist auch darauf, dass er seit den 80ern Teil der Neuen Rechten war:

Ich hatte Klaus Rainer Röhl vor 20 Jahren, am 28. Juni 2001, bei einem Vortrag bei der „Gesellschaft für Wehrkunde“ in Fulda gehört. Ich ergriff einfach die Gelegenheit und interviewte ihn spontan und unvorbereitet mit meiner Sony, in einer Pause zwischen Tür und Angel und befragte ihn, „wie das so damals war“, mit Ulrike Meinhof und wie er sich an diese Zeit erinnerte. Das habe ich nie veröffentlicht, weil ich entscheidende Fragen nicht stellte, weil ich eben unvorbereitet war.

Aber er erzählte mir kurz über seine Zeit als Mitglied der damals illegalen „KPD“, über Ulrike Meinhof, die unter dem schlechten Einfluss von Gudrun Ensslin und des „Schlägers“ Andreas Baader abgedriftet sei. Die RAF, das seien eigentlich „dilettantisch arbeitende Desperados“ gewesen. Die Auswirkungen einer Hirnoperation nach der Geburt ihrer Zwillinge hätten Ulrike Meinhof entscheidend verändert. „Dieses ganze leichtfertige Gequassel um Gewaltprivilegien, das liegt natürlich an der ‚Frankfurter Schule'“ das sei so „in den Köpfen drin“ gewesen, dass er einmal „überspitzt gesagt“ habe, dass „die RAF die Speerspitze der 68er war“. Weiterlesen

3 Jahre und 1 Tag vor 9/11

Am 10. September 1998 waren Jutta und ich auf und am World Trade Center. Wir waren 10 Tage in New York, und besuchen das WTC natürlich. Jutta filmte mit ihrer Sony-Kamera. Oben erlebten die Menschen natürlich die fantastische Aussicht, aber auch unten war, jedenfalls an diesem Tag, eine schöne entspannte Stimmung. Eine Band spielte, ein Pärchen tanzte dazu. Wir nahmen an, dass viele Menschen, die in den Zwillingstürmen oder in den Häusern drumrum arbeiteten, hier ihre Mittagspause verbrachten. Ich weiss nicht genau, warum mich, wie Millionen anderer Menschen, der
Anschlag der Terroristen, so sehr viel mehr bewegte, als ich ihn bzw. seine direkten Folgen 3 Jahre und einen Tag später am Fernsehen verfolgte. Es hatte bestimmt damit zu tun, dass dieser Ort, seine Stimmung und das Verhältnis von New Yorkern und Touristen zu diesem Ort mir vertraut schien, auch wenn ich ihn ja nur kurz wirklich erlebt und ein Verhältnis zu ihm bekommen hatte. Es war weit weg, und dennoch so, als wäre so etwas schreckliches nicht weit von mir geschehen. im Vergangenen Jahr habe ich aus vielen Videos von Straßen- und Kneipenmusikern und privatem Musikmachen aus mehreren Ländern einen Film zusammengeschnitten – die Videos waren fast alle mit dem Handy gefilmt – außer diesem vom 10.9.1998, das auch den Zusammenschnitt eröffnet. Hier ist es als Solo-Video zu sehen. Jutta meinte: Wir sollten ihn 20 Jahre später online stellen – vielleicht gibt es unter denen, die damals Mittagspause machten oder warum auch immer gerade am World Trade Center an diesem Tag 3 Jahre vor dem tödlichen Anschlag waren, jemand, der sich darüber freut, sich darin wieder zu sehen – an einem Ort, den es so seit 20 Jahren nicht mehr gibt.

„Welcome to Kabul“ – ein Schild, das man nicht mehr braucht?

1. April 2011 – Das Schild gibt es immer noch – ich habe es heute in einem Bericht vom militärischen Teil des Flughafens in Kabul gesehen. Menschen, die hier ankamen, haben sich gerne vor diesem Schild fotografieren lassen. Jetzt ist es ein Zeugnis anderer Zeiten – niemand mehr macht hier fröhliche Ankunfts- oder vielleicht auch Abschiedsfotos. Weiterlesen

Wahlkampf-Nichtigkeiten – Tagebuch

Laschet: Text vergessen. Umfragen: Spannend wie ein Pferderennen. Was ist böse an einem Lastenfahrrad? Grünen-Video – geschickt gemacht wie Seitenbacher-Werbung?

Oft passiert nichts wirklich interessantes in diesem Wahlkampf. Obwohl man sich immer mal, wenn man wollte, über den einen oder anderen aufregen könnte. Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat macht wirklich oft seltsame Dinge. Eine „Focus“-Reporterin z.B. hat ihn interviewt, er solle ihr doch mal sagen, was die für ihn wichtigsten Ziele seines Wahlprogrammes sind. Er spult zwei ab (Digitalisierung, und der Klimawandel, gegen den er, so klingt es, vor allem durch Bürokratieabbau vorgehen will. Ein uralt anmutendes Politiker-Wahlkampf-Gebräse, finde ich, anödende millionenfach abgespulte Schlagwörter, die man als mittlerweile gewohnte ärgerliche intellektuelle Zumutung resigniert hinnimmt, höchstens immer wieder mit einem gewissen Staunen, dass der Mann nicht mittlerweile sich fit gemacht hat mit wohlklingenderen Phrasen, die einen wenigstens beruhigen könnten, dass er nicht

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Wie der Strom nach Fargambow in Nordafghanistan kam (2010)

2010, auf einer Journalistenreise nach Afghanistan, die das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (was häufig noch als „Entwicklungshilfeministerium“ bezeichnet wird, besuchten wir unter anderem auch den kleinen Ort Fargambow, in der Provinz Badakhshan im Norden Afghanistans. Größte Stadt in dieser Provinz ist Faisabad – auch hier waren damals noch Bundeswehrsoldaten stationiert. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), wie sie damals noch hieß – heute gibt es die GIZ – hatte dort ein kleines Wasserkraftwerk gebaut: Erstmals bekamen die Menschen hier Strom.

Mein Audio-Beitrag vom 28. Juli 2010 „Fargambow (Afghanistan) hat seit gestern Strom“

Auch der Kollege Philipp Neumann war damals bei dieser Reise mit dabei. Und wir waren quasi dabei, wie sie hier das bekamen, was für uns einfach eine Selbstverständlichkeit ist. Ein Rätsel allerdings blieb für mich – und ich hatte irgendwie vergessen, angesichts der Freude der Menschen über ihr ganz neues Leben mit der Elektrizität – wie sie vorher ihre Smartphones aufgeladen hatten, die sie nämlich schon gehabt hatten, bevor der Strom dorthin gekommen war. Ich vermute, es hatte damit zu tun, dass einige Wohlhabendere im Dorf schon Dieselgeneratoren hatten, also letztlich doch schon mal elektrische Geräte betrieben konnten. Für die allermeisten aber war es ganz neu, sie freuten sich wie Kinder und warfen Bonbons als Zeichen dieser Freude über die Delegation aus meist Deutschen. Weiterlesen