Das „Zucken des sterbenden Systems“ – Rechtspostillen-Vibes

Es ist schon einige Tage her, aber ich muss immer wieder daran denken, obwohl es im Strom all dessen, was ich medial lese, längst von anderen „Aufregern“ verdrängt sein müsste.

Ich komme einfach nicht drüber hinweg. Ich habe in einer deutschen Zeitung, die immer noch zu den „seriösen Medien“ gezählt wird, etwas gelesen, was ich ungeheuerlich fand. Und immer noch ungeheuerlich finde.

Es war eigentlich nur ein Satz. Darin war die Rede vom „Zucken des sterbenden Systems“. Das löste meine Fassungslosigkeit aus. Moritz Eichhorn kommentierte am 30.12. in der „Berliner Zeitung“ die Debatte über Elon Musks Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“. Er kritisierte die Doppelmoral vieler Kritiker: Musk darf danach nicht in Deutschland die AfD zur Wahl empfehlen, weil er sich damit in den bundesdeutschen Wahlkampf einmische. Das durften doch aber auch Putin, Soros und Bill Gates: sich in deutsche Politik einmischen; und Ralf Stegner oder Luisa Neubauer rührten umgekehrt die Wahlkampftrommel für Kamala Harris.

Argumente, die man natürlich vorbringen darf. Was mich erschrocken machte, war der Ton des Kommentars: Vibes von Rechtspostillen aus der Hölle. Es ist für den Kommentator nicht einfach nur Weiterlesen

Rochen und andere Fische im Sea Life Aquarium 2012

Heute, am 16.12.2024, ist es es zwei Jahre her, dass das AquaDom in Berlin plötzlich geplatzt ist. Eine kleine Reminiszenz an einen Besuch im benachbarten Sea Life Aquarium und im Aquadom mehr als zehn Jahre vor dem Unglück. Die Rochen im Sea Life Aquarium hatten das Unglück aber überlebt.

Das Sea Life Aquarium wurde ein halbes Jahr später wieder eröffnet. Das AquaDom dagegen wurde, nachdem es vollständig zerstört gewesen war, nicht wieder aufgebaut.

 

Die schönsten Verbotsideen: Fremdsprachenverbot zu Hause (CSU 2014)

Vor zehn Jahren kam aus der CSU eine Idee: Migranten sollten nicht nicht nur bei der Arbeit, in der Schule oder sonstwo in der Öffentlichkeit deutsch sprechen, sondern auch zu Hause. Warum nicht? Man übt die Sprache und unterstützt seine Kinder bei ihrem Erwerb. Aber per VERbot? Oder auch „nur“ als GEbot? Damit zerstört man sich doch sehenden Auges das immer wieder und selten mit Beispielen unterlegte Narrativ der „Verbotspartei“, die man selbst um Gottes Willen nicht sein will. Denn diese andere Partei, die wir gar nicht nennen müssen, die uns alles verbieten will, bekommt frei Haus die Möglichkeit zur Replik geboten: „Wir Verbotspartei? Selber!“

Meine Radioglosse damals, am 8. Dezember 2014:

Meine Frau und ich reden manchmal zu Hause Schwedisch. Es ist kein richtiges Schwedisch, wir können es eigentlich auch gar nicht so richtig, aber es ist quasi unser Privat-Schwedisch – ein echter Weiterlesen

Wie schaut der „Globale Süden“ auf Russlands Angriffskrieg?

Bremsklotz Deutschland? Oder ist der Westen endlich einig bei Waffen für die Ukraine?

Putin lacht sich schlapp – Glosse vom 21. Juni 2018

Russland ist nur noch eine „Regionalmacht“, stichelte damals US-Präsident Barack Obama. Wirtschaftlich spielt Russland weltweit auch eher eine untergeordnete Rolle – da sind die USA, China, Europa wesentlich potentere Player. Wie kann man dennoch mit ihnen mithalten, wenn man nicht fähig ist, im Spiel der Mächte militärisch und wirtschaftlich mitzuhalten? Wem ich nicht mit verführerischen Produkten und anziehenden demokratischen Freiheiten entgegentreten kann, und nicht mal die Überlegenheit eines stärkeren kriminellen Schlägers habe, weil auch da die anderen gut gerüstet sind – dem bleibt als Mittel, den stärkeren Gegner zu zersetzen. Das ist die Kunst der Geheimdienste, der gut geplanten und raffiniert durchgeführten Verschwörungen. Wenn Wladimir Putin in einem erfolgreich war in den letzten Jahren, dann darin!

Diese Glosse schrieb ich vor vier Jahren für eine hr-info-Politiksendung. Ich will jetzt nur darauf hinweisen, dass der „Westen“ sich so um den 24. Februar 2022 darüber klar geworden ist, dass man sich solche Zersetzung und Gespaltenheit nicht leisten kann, wenn man einem brutalen und skrupellosen Geheimdienstler im Kreml entgegentreten will, der sein Nachbarland Ukraine völkerrechtswidrig überfallen hat. Weiterlesen

Egon Bahr 2012: Europa nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit Osteuropa

Heute vor 100 Jahren wurde der SPD-Politiker Egon Bahr im thüringischen Treffurt geboren. 2015 ist er verstorben. Vor genau 10 Jahren. kurz vor seinem 90. Geburtstag, habe ich ihn für „Im Gespräch mit hr-info“ im rbb-Funkhaus in der Masurenallee interviewt, eine knapp 22minütige Sendung. Am Tag  seines 90. Geburtstags stand die vorzeitige Wahl eines neuen Bundespräsidenten an, nachdem Christian Wulff zurückgetreten war und dessen zunächst ihm unterlegener Gegenkandidat Joachim Gauck jetzt nicht nur für SPD und Grüne, sondern auch unterstützt von Union und FDP zum zweitenmal antrat (und dann ja auch gewählt wurde). Das ist schon Zeitgeschichte und war damals eher tagesaktuell interessant (ganz unten die Nachrichtenminute, die ich damals dazu aus diesem Teil des Interviews gemacht hatte).

Aber: was er damals zu Europa gesagt hatte, finde ich gerade derzeit wieder interessant und relevant: Damals gab es eine Kampagne der „Bild“-Zeitung („Noch mehr Geld für Pleite-Griechen? BILD sagt Nein!“) gegen Griechenland und ein neues  „130-Milliarden-Rettungspaket“ für Griechenland. Auch Europa erschien gespalten; reichere Länder wie Deutschland, Niederlande oder Nordeuropäer spielten mit dem Gedanken an einen harten „Nord-Euro“ und einen weicheren „Süd-Euro“, zum Beispiel für „Pleite-Griechen“.

Während Elder-Statesmen – wie Helmut Schmidt oder Helmut Kohl – wie aus der Zeit gefallen wirkten, wenn sie eine stärkere europäische Solidarität beschworen; jüngere Politiker aber – wie die damalige Kanzlerin Angela Merkel und viele andere – mit solchen Europa-Pathos wenig anfangen konnten, ist doch die neueste Entwicklung seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des völkerrechtwidrigen Angriffs von Putins Russland auf die Ukraine, gegenläufig: Geschlossen und einig nach außen tritt die EU und der gesamte Westen gegen Russland auf. So erscheint mir das, was mir Egon Bahr damals gesagt hat, sehr passend zu dieser Zeit:

Bahr: „Die ganze Diskussion über Europa heute ist eine Werbung für die Entpolitisierung! Das ist wirklich schlimm! Wir müssen endlich meines Erachtens zurück zu den Ursprüngen. Das heisst: Was Weiterlesen

„Die 68er Bewegung hatte gar nichts gutes – selbst im Springerkonzern arbeiten sie jetzt“

Gerade habe ich gelesen, dass Klaus Rainer Röhl gestorben ist. Er war „Nazi-Soldat, Kommunist, Meinhof-Ehemann“, so überschreibt die Hamburger Mopo ihren Nachruf. Jutta Ditfurth, die eine Biographie seiner Ex-Frau Ulrike Meinhof geschrieben hat, verweist auch darauf, dass er seit den 80ern Teil der Neuen Rechten war:

Ich hatte Klaus Rainer Röhl vor 20 Jahren, am 28. Juni 2001, bei einem Vortrag bei der „Gesellschaft für Wehrkunde“ in Fulda gehört. Ich ergriff einfach die Gelegenheit und interviewte ihn spontan und unvorbereitet mit meiner Sony, in einer Pause zwischen Tür und Angel und befragte ihn, „wie das so damals war“, mit Ulrike Meinhof und wie er sich an diese Zeit erinnerte. Das habe ich nie veröffentlicht, weil ich entscheidende Fragen nicht stellte, weil ich eben unvorbereitet war.

Aber er erzählte mir kurz über seine Zeit als Mitglied der damals illegalen „KPD“, über Ulrike Meinhof, die unter dem schlechten Einfluss von Gudrun Ensslin und des „Schlägers“ Andreas Baader abgedriftet sei. Die RAF, das seien eigentlich „dilettantisch arbeitende Desperados“ gewesen. Die Auswirkungen einer Hirnoperation nach der Geburt ihrer Zwillinge hätten Ulrike Meinhof entscheidend verändert. „Dieses ganze leichtfertige Gequassel um Gewaltprivilegien, das liegt natürlich an der ‚Frankfurter Schule'“ das sei so „in den Köpfen drin“ gewesen, dass er einmal „überspitzt gesagt“ habe, dass „die RAF die Speerspitze der 68er war“. Weiterlesen

3 Jahre und 1 Tag vor 9/11

Am 10. September 1998 waren Jutta und ich auf und am World Trade Center. Wir waren 10 Tage in New York, und besuchen das WTC natürlich. Jutta filmte mit ihrer Sony-Kamera. Oben erlebten die Menschen natürlich die fantastische Aussicht, aber auch unten war, jedenfalls an diesem Tag, eine schöne entspannte Stimmung. Eine Band spielte, ein Pärchen tanzte dazu. Wir nahmen an, dass viele Menschen, die in den Zwillingstürmen oder in den Häusern drumrum arbeiteten, hier ihre Mittagspause verbrachten. Ich weiss nicht genau, warum mich, wie Millionen anderer Menschen, der
Anschlag der Terroristen, so sehr viel mehr bewegte, als ich ihn bzw. seine direkten Folgen 3 Jahre und einen Tag später am Fernsehen verfolgte. Es hatte bestimmt damit zu tun, dass dieser Ort, seine Stimmung und das Verhältnis von New Yorkern und Touristen zu diesem Ort mir vertraut schien, auch wenn ich ihn ja nur kurz wirklich erlebt und ein Verhältnis zu ihm bekommen hatte. Es war weit weg, und dennoch so, als wäre so etwas schreckliches nicht weit von mir geschehen. im Vergangenen Jahr habe ich aus vielen Videos von Straßen- und Kneipenmusikern und privatem Musikmachen aus mehreren Ländern einen Film zusammengeschnitten – die Videos waren fast alle mit dem Handy gefilmt – außer diesem vom 10.9.1998, das auch den Zusammenschnitt eröffnet. Hier ist es als Solo-Video zu sehen. Jutta meinte: Wir sollten ihn 20 Jahre später online stellen – vielleicht gibt es unter denen, die damals Mittagspause machten oder warum auch immer gerade am World Trade Center an diesem Tag 3 Jahre vor dem tödlichen Anschlag waren, jemand, der sich darüber freut, sich darin wieder zu sehen – an einem Ort, den es so seit 20 Jahren nicht mehr gibt.

„Welcome to Kabul“ – ein Schild, das man nicht mehr braucht?

1. April 2011 – Das Schild gibt es immer noch – ich habe es heute in einem Bericht vom militärischen Teil des Flughafens in Kabul gesehen. Menschen, die hier ankamen, haben sich gerne vor diesem Schild fotografieren lassen. Jetzt ist es ein Zeugnis anderer Zeiten – niemand mehr macht hier fröhliche Ankunfts- oder vielleicht auch Abschiedsfotos. Weiterlesen