Russland ist nur noch eine „Regionalmacht“, stichelte damals US-Präsident Barack Obama. Wirtschaftlich spielt Russland weltweit auch eher eine untergeordnete Rolle – da sind die USA, China, Europa wesentlich potentere Player. Wie kann man dennoch mit ihnen mithalten, wenn man nicht fähig ist, im Spiel der Mächte militärisch und wirtschaftlich mitzuhalten? Wem ich nicht mit verführerischen Produkten und anziehenden demokratischen Freiheiten entgegentreten kann, und nicht mal die Überlegenheit eines stärkeren kriminellen Schlägers habe, weil auch da die anderen gut gerüstet sind – dem bleibt als Mittel, den stärkeren Gegner zu zersetzen. Das ist die Kunst der Geheimdienste, der gut geplanten und raffiniert durchgeführten Verschwörungen. Wenn Wladimir Putin in einem erfolgreich war in den letzten Jahren, dann darin!
Diese Glosse schrieb ich vor vier Jahren für eine hr-info-Politiksendung. Ich will jetzt nur darauf hinweisen, dass der „Westen“ sich so um den 24. Februar 2022 darüber klar geworden ist, dass man sich solche Zersetzung und Gespaltenheit nicht leisten kann, wenn man einem brutalen und skrupellosen Geheimdienstler im Kreml entgegentreten will, der sein Nachbarland Ukraine völkerrechtswidrig überfallen hat.
Deshalb betonten die EU und die USA immer wieder, dass alles, was sie jetzt tun – bei Sanktionen und Waffenlieferungen – in großer Einigkeit geschehen muss. Putin dürfen all die Ansatzpunkte nicht geboten werden, die ihm uneinheitliches Auftreten gegenüber dem Kriegstreiber liefern würde. Eine EU, die sich spaltet – Polen und Baltikum gegen Deutschland, Ungarn gegen die meisten anderen, dazu dann innenpolitische Diskussionen in den Mitgliedsländern darüber, wer nicht genug „für die Ukraine“ tut und damit „sich genauso schuldig am Völkermord macht wie Putin selbst“ – oha! Genau das geschieht doch gerade wieder! Und ausgerechnet die Ukraine arbeitet daran mit, diese nötige Geschlossenheit aufzuweichen, indem sie das Spiel spielt, das doch keiner so meisterhaft beherrscht wie der, dessen mörderischer Aggression sie gerade ausgesetzt ist? Duda gut, Johnson gut, Steinmeier: Darf nicht kommen? Wer reibt sich da die Hände? Ich vermute mal: Genau der, der es auch schon vor vier Jahren und länger getan hat.
Das hier habe ich damals geschrieben:
Wir alle reiben uns doch seit längerem täglich die Augen: Ist die Welt verrückt geworden?
Donald Trump – er wird immer grotesker. Wie ein kleines, trotziges selbstverliebtes Kind macht er Politik. Schließt mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un eine Art Männerfreundschaft – während er treueste Alliierte wie Justin Trudeau oder Angela Merkel vor den Kopf stößt.
Oder der Brexit: Bis heute ist mir schleierhaft, was eigentlich der Vorteil eines Brexits für Großbritannien sein soll.
Und wer hat was von einem Europa, das sich gegenseitig lähmt, im Streit um Flüchtlinge, Migration, einen gemeinsamen Haushalt?
Meine Theorie:
Wer was davon hat, ist Wladimir Putin!
Der war mal KGB-Repräsentant in Dresden. Er ist Geheimdienstler. Und, ich glaube, er ist immer noch ein fantastisch guter Geheimdienstler.
Seine Mission: Mach Russland stark! Obwohl die USA und die EU ihm wirtschaftlich und militärisch überlegen sind.
Wenn ich einen Gegner nicht durch eigene Stärke schwächen kann, dann muss ich konspirativ vorgehen. Ich muss den Gegner von innen zersetzen. Ein guter Geheimdienstmann hat das gelernt:
Streue Zwietracht. Fördere verrückte Populisten, fördere Fremdenfeinde. Sorge dafür, dass die nicht als Deine Verbündeten wahrgenommen werden, sondern als die eigentlichen Patrioten.
Frankreich – überweise Frau Le Pen großzügige Kredite. Österreich voran! Lass FPÖ-Männer und AfD-Abgeordnete die Krim und Syrien besuchen. Mach Propaganda für sie, mit eigenem Fernsehsender, „RT deutsch“
Und dann: fördere, dass Großbritannien aus der EU aussteigt.
Völlig widersinnig, völlig idiotisch. Was soll das bringen? Gar nichts, aber verwirre die Geister doch so, dass die Idiotie, die Durchgeknalltheit zur Normalität wird.
Jetzt droht den Briten das Chaos. Eine wirtschaftliche und politische Katastrophe ist möglich. Die andere EU-Staaten denken: Die haben einen Hau, die Briten!
Dann heize noch andere Konflikte an. Wo österreichische und ungarische Rechte gegen Flüchtlinge hetzen. Und gegen die deutsche Kanzlerin. Italien gegen Frankreich. Osten gegen Westen, Norden gegen Süden.
28 Staaten gegeneinander. Chaos.
Dann zünde die nächste Bombe. Lass Donald Trump auf die superbeknackte Idee kommen, einfach mal Zölle auf EU-Produkte zu erheben. Höhere Zölle. Lass ihn sich mit den Chinesen anlegen. Lass Donald Trump sogar den gutmütigen, friedlichen Nachbarn Kanada vor den Kopf stoßen.
Mal ehrlich, vernünftig betrachtet: Was haben die USA, was hat Europa, was hat Kanada von diesem Chaos? Gibt es da irgendeinen, der davon profitiert? Nein. Alle werden mit reingerissen in den Strudel. Das nützt niemandem von ihnen. Das nutzt nur jemandem, der außen sitzt, und der sich ins Fäustchen lacht! In Moskau zum Beispiel.
So ein Chaos hinzukriegen; und hinzukriegen, dass alle auf den Leim gehen und alle brav bei Trump, Brexit und populistischen Exzessen mitmachen – das ist ganz große Zersetzungskunst!
Falls Sie es waren, Herr Putin: Sie Schurke! Aber, wenn Sie es waren: Respekt! Handwerklich perfekt gemacht.