Der „Gutmensch“: er nervt schon seit 1848

„Ihr guten Menschen seid alle gleich: wenn es nach Euch ginge, kämen wir nie zum Baseballspielen!“

Als der „Gutmensch“ mir das erstemal begegnete, fand ich ihn anfangs noch sehr amüsant und treffend. Im „Wörterbuch des Gutmenschen“ von Klaus Bittermann (1994) machte er sich, wie  ich fand, zu Recht lustig über wohlfeile Betroffenheitsduselei mit ihren immer wieder wiederholten wohlfeilen Nervmetaphern (z.B. dem unsäglichen „Die Mauern in den Köpfen einreissen“).

Dann ergab es sich, dass mit dieser Injurie „Gutmensch“ all die belegt wurden, die der „Political Correctness“ („PC“) für schuldig befunden wurden. Als ich dabei zunehmend den Begriff  „Gutmensch“ hämisch verwendet hörte für Menschen, die es bewusst vermieden, „Neger“ oder „Asylant“ oder „Spasti“ zu sagen, fühlte ich mich zunehmend mitbeleidigt, da ich mir auch das Recht Weiterlesen

„Nicht mein Fehler, monsieur!“

Ich musste heute, als ich las, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Separatisten im Osten seines Landes vorwarf, sie hätten einen „zynischen Akt des Terrors, der bestraft werden wird“, begangen (sie hatten ein Transportflugzeug der ukrainischen Armee abgeschossen, wobei 49 Menschen, darunter 40 Fallschirmjäger, getötet wurden), an Kurt Tucholsky denken, von dem ich vor langer Zeit mal etwas über das Denken des von ihm verachteten deutschen Offizierskorps gelesen hatte. Tucholsky zitierte 1922 aus dem Kriegstagebuch eines Gardehauptmanns, nachdem seine Einheit französische Soldaten gefangengenommen hatte:

„‚Ich fragte einen Gefangenen, wie sie zu der Frechheit kämen, die kaiserliche Garde anzugreifen.‘ Man stelle sich das Bild vor: der eine Kriegsmann fragt den andern von der Gegenseite, wie er sich erlauben könne, zu schießen! Der Franzose gab dem Mann die einzig richtige Antwort: ‚Ce n’est pas ma faute, monsieur!‘, sagte er.“ (Kurt Tucholsky: Ausgewählte Werke, Rowohlt 1965,  S. 262)