„Sie haben nicht vergessen, dass wir eine neue Regierung sind?“

Talkshow mit vier Deutschen und einem „Psychopathen“
Yanis Varoufakis war bei Günther Jauch

Heute abend ist das geschehen, was ich mir in den letzten Tagen immer gewünscht habe: Dass die griechenskeptischen, schreibenden Kollegen einmal direkt auf das Objekt ihrer gelinde gesagt doch sehr scharfen Kritik treffen.

Nein, leider hatte Günter Jauch nicht Jan Fleischhauer eingeladen, der Yanis Varoufakis  seine Diagnose ins Gesicht hätte sagen können, er sei ein Psychopath.

Aber dafür war Ernst Elitz gekommen, der immer noch von seinem Ruf als „Gründungsintendant“ des Deutschlandradios zehrt, seinen journalistischen Lebensabend aber mit ähnlich recherchefreier Polemik für die „Bild“-Zeitung verbringt: Was die Griechen-Radikalos liefern, das ist Irrsinn mit Methode“, und „Raus mit euch und eurem Grixi-Graxi!

Und da sitzt der Griechen-Radikalo ihm (wenn auch nur virtuell per Schalte aus Athen) leibhaftig gegenüber; er könnte ihm jetzt all das mit Beispielen darlegen, was den „Irrsinn“ seiner, Varoufakis‘, Politik ausmacht, und Elitz fällt nichts anderes ein, als zu sagen: Das ganze Geld, das an Krediten nach Griechenland geflossen sei, sei „in schwarze Löcher“ geflossen. Dabei, so hält ihm gleich darauf die taz-Kollegin Ulrike Herrmann entgegen, sei das Geld nicht in schwarzen Löchern verschwunden, sondern zum größten Teil an Banken in Frankreich und Deutschland geflossen und fast nichts in Griechenland geblieben.

Da entlarvt sich der „Gründungsintendant“ als Schmalspur-Journalist – denn: wenn einer schon in seinem Blatt an Hetze gemahnende, scharfe Vorwürfe vorbringt, müsste er jetzt eigentlich beherzt eine ganze Salve an konkreten Verwürfen, die die „irre“ Politik der Syriza-Regierung verdeutlichen, abfeuern. Kam aber nicht.

Günter Jauch hatte das einzig richtige getan: Er hatte denjenigen, über den in Deutschland in den letzten Wochen nur noch sensationalistisch-manipulativ berichtet worden war, selbst eingeladen.

Einem Elitz oder auch einem Markus Söder fiel es jetzt schwer, Yanis Varoufakis als den windigen, linken Giergriechen zu zeichnen, da er ja das oft absurde, was über ihn verbreitet wird, gleich kontern konnte. Sie versuchten es trotzdem, da sie es ihrer Klientel (Springer-Verlag und vermutete CSU-Stammtischwählerschaft) schuldig zu sein glaubten.

Und Aussagen von Varoufakis im griechischen Fernsehen, wie die, es gebe keine Problem, die Gelder für Löhne und Renten im März bereitzustellen, konnte Elitz uninformierterweise gar nicht kritisch hinterfragen. Der Politiker Söder sagte dazu etwas so nichtssagendes wie „Trotzdem brennt ja in Griechenland der Kittel“, oder „Narrisch sind wir Deutschen auch nicht!“

Das Verdienst dieser Jauch-Sendung war, dass Varoufakis einem breiteren Publikum darlegen konnte, dass er durchaus eine konsistente und nicht irgendwie „irre“ Argumentation hat. Griechenland war 2010 zahlungsunfähig, sagte er. Dass dem insolventen Land dann eine Rekord-Anleihe aufgedrückt wurde, damit die Schuldner ihr Geld nicht verloren, sei ein katastrophal falscher Ansatz gewesen. Denn das zahlen jetzt die Armen in Griechenland „Bei uns greift der Hunger um sich“, das Geld der Reichen, die keine Steuern zahlten, liege in den USA, Großbritannien oder auch in Deutschland. Dass die Reichen bisher geschont wurden, wird absurderweise oft der neuen Links-Rechts-Regierung vorgeworfen. „Sie haben nicht vergessen, dass wir eine neue Regierung sind? Wir haben nichts mit unseren korrupten Vorgängern zu tun“. Das Scheitern der vorherigen griechischen Regierungen könne man ihm nicht vorwerfen, denn: gerade, weil die eine falsche Politik gemacht hätten, sei ja Syriza gewählt worden. Und auf den Vorwurf hin, die Regierung täte trotz Wahlversprechen nichts dafür, die Reichen zur Kasse zu bitten, zählte er mehrere Maßnahmen auf, mit denen er europaweit versuche, griechische Steuerhinterzieher aufzuspüren.

„Sie haben sich tapfer geschlagen“, sagte Günter Jauch am Ende zu Yanis Varoufakis. Ja – was immer man an sachlichen Zweifeln an den Versprechen der neuen griechischen Regierung haben mag, was immer man gegen die ökonomischen Grundthesen des Finanzministers sagen könnte: es beruhigt mich irgendwie, dass eine publikumswirksame ARD-Sendung dazu beigetragen hat, das wiederherzustellen, was eigentlich Aufgabe sämtlicher großer Medien in einem freien Land wie unserem wäre: Möglichst so zu berichten, möglichst so zu recherchieren, möglichst so alle selbst zu Wort kommen zu lassen oder zumindest fair wiederzugeben, dass man der Wahrheit, dem, was wirklich ist, möglichst nahe kommt.

(Aber vielleicht irre ich mich da doch: Vielleicht bleibt von der ganzen Sendung nur eine „Stinkefinger“-Diskussion)

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