„Ort unfassbaren Leids“ – vor 70 Jahren wurde das KZ Auschwitz befreit

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. 70 Jahre ist dies jetzt her. Etwa 300 Menschen, die das Lager überlebt haben und heute noch leben, werden am Gedenken in Auschwitz selbst teilnehmen. Politiker sollen dabei nicht das Wort ergreifen.

ARD-Polen-Korrespondent Henryk Jarczyk hat zu diesem Anlass mehrere Beiträge gemacht. Unter anderem ein kurzes Feature mit dem Titel „Auschwitz – Ort unfassbaren Leids“. Darin lässt er polnische Überlebende des Massenmordes zu Wort kommen. Dazu erinnert er an den Todesmarsch, zu dem die SS die Insassen gezwungen hatte, als die Rote Armee dem Lager immer näher kam. Und schließlich hat Henryk Jarczyk die „Konservatoren von Auschwitz“ besucht – Wissenschaftler, die auch heute noch akribisch daran arbeiten, die Habseligkeiten der ermordeten Opfer als auch die Dokumente ihrer Mörder zu erhalten und zu konservieren, damit sie nicht verloren gehen – eine würdige und wichtige Kripo-Arbeit an einem der größten und mörderischsten Tatorte der Welt. Diese drei Beiträge von Henryk Jarczyk sind in der Sendung „hr-info Europa“ vom 24. Januar 2015 zu hören und auch hier als Podcast herunterzuladen.

In meiner Arbeit als hr-Reporter in Fulda habe ich zweimal mit Frauen sprechen können, die von den Nazis nach Auschwitz verschleppt worden sind und die beide wie durch ein Wunder überlebt haben. Erst interviewte ich 1994 Amalie Gutermuth – eine Sintezza, die in einem winzigen Häuschen in einem Fuldaer Stadtteil lebte. Über ihr Schicksal schrieb auch Pascal Cziborra in seinem Buch „Frauen im KZ“. Damals wusste ich noch nicht, dass ihre jüngere Schwester, Dorothea Heinle war, die ich zehn Jahre später – aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz – besuchte. Der Mädchenname der beiden war Niederhöfer, und sie waren mit vielen Familienmitgliedern nach Auschwitz-Birkenau gebracht worden, von denen die meisten das Lager nicht überlebt haben.

Mit Amalie Gutermuth habe ich mich am 4. November 1994 unterhalten – einen Tag, bevor die Stadt Fulda zum erstenmal nach dem Ende des Nazi-Regimes der ermordeten Sinti und Roma aus Fulda gedachte. Selbst da taten sich die Stadtoberen noch schwer damit und konnten sich nur mühsam dazu aufraffen, der häufig heute noch abfällig „Zigeuner“ genannten Opfer eines Völkermordes zu gedenken.

Amalie Gutermuth, die vor etwa 13 Jahren starb, sagte 1994 verbittert in der Küche ihres Häuschens:

„Bei uns hat sich keiner entschuldigt, und uns hat auch noch niemand eingeladen. Und das ist das schlimme, was ich an dem ganzen, in der heutigen Zeit noch, nicht verstehen kann: Daß man gerade uns heute wieder ins Abseits schiebt. Es ist in der Literatur und allem drum und dran ist es wenig bekannt. Es wird auch nicht genannt. Wenn mal ein Artikel drinne ist, dann ist es vielleicht mal soviel…und alles andere interessiert nicht. Es geht aber uns nicht alleine so, es geht den politischen Verfolgten, bei denen ist genau dasselbe, das ist so, als wenn das gar nicht existiert hätte; als wenn das nicht gewesen wäre. Und das ist das heute, was ich an unserer Regierung nicht verstehe, daß wir in diesem Falle einfach übergangen werden: Wir sind nicht da!“
Was sie damals außerdem erzählte, können Sie hier lesen und hören.

Zehn Jahre später interviewte ich Dorothea Niederhöfer – ebenfalls Sintezza aus Fulda; auch sie hatte Auschwitz-Birkenau überlebt. Erst da erfuhr ich, dass sie die jüngere Schwester von Amalie Gutermuth war (die mittlerweile verstorben war). Den Beitrag, den ich über ihr Schicksal machte, können Sie hier nachhören.

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