Egon Bahr 2012: Europa nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit Osteuropa

Heute vor 100 Jahren wurde der SPD-Politiker Egon Bahr im thüringischen Treffurt geboren. 2015 ist er verstorben. Vor genau 10 Jahren. kurz vor seinem 90. Geburtstag, habe ich ihn für „Im Gespräch mit hr-info“ im rbb-Funkhaus in der Masurenallee interviewt, eine knapp 22minütige Sendung. Am Tag  seines 90. Geburtstags stand die vorzeitige Wahl eines neuen Bundespräsidenten an, nachdem Christian Wulff zurückgetreten war und dessen zunächst ihm unterlegener Gegenkandidat Joachim Gauck jetzt nicht nur für SPD und Grüne, sondern auch unterstützt von Union und FDP zum zweitenmal antrat (und dann ja auch gewählt wurde). Das ist schon Zeitgeschichte und war damals eher tagesaktuell interessant (ganz unten die Nachrichtenminute, die ich damals dazu aus diesem Teil des Interviews gemacht hatte).

Aber: was er damals zu Europa gesagt hatte, finde ich gerade derzeit wieder interessant und relevant: Damals gab es eine Kampagne der „Bild“-Zeitung („Noch mehr Geld für Pleite-Griechen? BILD sagt Nein!“) gegen Griechenland und ein neues  „130-Milliarden-Rettungspaket“ für Griechenland. Auch Europa erschien gespalten; reichere Länder wie Deutschland, Niederlande oder Nordeuropäer spielten mit dem Gedanken an einen harten „Nord-Euro“ und einen weicheren „Süd-Euro“, zum Beispiel für „Pleite-Griechen“.

Während Elder-Statesmen – wie Helmut Schmidt oder Helmut Kohl – wie aus der Zeit gefallen wirkten, wenn sie eine stärkere europäische Solidarität beschworen; jüngere Politiker aber – wie die damalige Kanzlerin Angela Merkel und viele andere – mit solchen Europa-Pathos wenig anfangen konnten, ist doch die neueste Entwicklung seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des völkerrechtwidrigen Angriffs von Putins Russland auf die Ukraine, gegenläufig: Geschlossen und einig nach außen tritt die EU und der gesamte Westen gegen Russland auf. So erscheint mir das, was mir Egon Bahr damals gesagt hat, sehr passend zu dieser Zeit:

Bahr: „Die ganze Diskussion über Europa heute ist eine Werbung für die Entpolitisierung! Das ist wirklich schlimm! Wir müssen endlich meines Erachtens zurück zu den Ursprüngen. Das heisst: Was Weiterlesen