Erika Steinbach fragt ja nur mal

Die Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach scheint mittlerweile, wie es auch „Die Welt“ feststellte, keinerlei ernsthafte Ambitionen mehr zu haben, ihre rechtskonservativen Ansichten innerhalb ihrer Partei durchsetzen zu wollen. Sie hat offenkundig keine Sorge darum, dass ihre Seriosität selbst bei politisch nahestehenden Freunden ins Zwielicht gerät. Längst ist sie in personam Teil der furchteinflössenden Haltung, die lautet: „Das Zeitalter der Fakten ist vorbei“. Im aufgeheizten Meinungskampf in den sozialen Medien, der immer mal wieder auch in die ernstzunehmende Presse hineinschwappt, kommt es darauf an, frech zu behaupten, dass etwas sei, und dass es gar nicht ist (wie oft genug belegt werden kann), schert die Verbreiter der Behauptung nicht weiter.

Heute gab Erika Steinbach auch mir per Twitter bekannt:

Vielleicht war es ja wieder der „besorgte Vater“, der Erika Steinbach per Mail auf besorgniserregende Entwicklungen für Deutschland hinweisen musste. Damals ging es um die schlimme Befürchtung, dass wir alle im Jahr 2030 wie fröhliche indische Waisenmädchen aussehen würden. Heute dagegen um einen hochgeheimen SEK-Einsatz in NRW, bei dem vor circa 10 Tagen ein großes „IS-Waffenlager“ gefunden worden sei:

„Ein orientalischer Gemüsehändler verwahrte in seinem Kühlraum große Mengen an Kriegswaffen. Das Waffenlager liegt nahe an einer Moschee. Die Waffen wurden beschlagnahmt“,

schreibt die Quelle der Bundestagsabgeordneten. Eine Nachricht, zu aufregend schön für das Weltbild, als dass man das Risiko eingeht, nochmal nachzufragen. Auch wenn Frau Steinbach sich offen für Nachprüfungen zeigt, aber das können ja mal die „lieben Medienvertreter“ übernehmen.

Die liebe Medienvertreter bekommen also von Frau Steinbach einen Bericht aus der dubiosen Halbwelt der Querfrontler, Ulfkottes und Lügenposter hingeknallt, mit der Botschaft „Beweist doch mal, dass das nicht stimmt, ich frage ja nur mal“.

Das klingt schon sehr verdächtig danach, dass die CDU-MdB lieber weiter zündeln will, als dass ihr an der Wahrheit läge. Wenn ich Bundestagsabgeordneter wäre, und ich bekäme einen Hinweis darauf, dass so ein sensationeller Fund gemacht wurde, der aber von allen Behörden vertuscht werden soll: Ich hätte längst eine Anfrage im Bundestag gestartet, hätte meine Parteifreunde in NRW dazu gebracht, so eine Anfrage im Landtag zu starten, hätte alles in Bewegung gesetzt, um Informationen darüber zu bekommen. Hätte mit Kontakten bei der Polizei telefoniert – das muss ich nicht den „Medienvertretern“ überlassen.

Nun ja, immerhin hat das ja jemand getan, der beide Fertigkeiten besitzt: Das Recherchieren als ehemaliger Journalist und das netzwerken als Landtagsabgeordner einer Regierungspartei in Bund und im Land Hessen. Und auf diesen beruft sich denn auch Erika Steinbachs dubiose Webseite mit dänischer Domain „Europe News“:

„Der hessische CDU-Abgeordnete und ehemalige Journalist Ismael Tipi schreibt hierzu auf seiner Abgeordneten-Webseite: „Nach meinen Informationen wurde bei diesem Einsatz ein Waffenlager mit schweren Kriegswaffen ausgehoben. Die Gefahr der Bewaffnung der fundamentalistischen gewaltbereiten Salafisten in Deutschland ist sehr groß. Das macht dieser geheime Einsatz mehr als deutlich“.

Wer weiss, woher der CDU-MdL diese Informationen hatte. Ein anderer jedenfalls, dessen angeschlagene Reputation die gleichzeitige Erwähnung mit einem CDU-Abgeordneten wohl ausgleichen soll, hat diese Infos auch:

„Der Journalist Udo Ulfkotte verfügt über exzellente Polizeikontakte und berichtete von dem Waffenfund im Gemüsemarkt. Man habe ihm aus Polizeikreisen auch andere Orte – unter anderem eine Moschee in Marburg – genannt, in denen umfangreiche Waffenlager gefunden wurden“.

Der Bericht von Ismail Tipi, in dem er von dem verschwiegenen SEK-Einsatz berichtete, ist vom 17. Juni 2016.  Der Bericht von Erika Steinbachs Hetz-Seite ist vom 27. Juli 2016. Nur: Anders als sie hat sich Ismail Tipi tatsächlich darangemacht, sein von ihm verbreitetes Gerücht auf seinen Faktengehalt zu überprüfen. Bereits am 14. Juli 2016 schrieb er auf seiner Webseite:

„Nach aktuellen Informationen des LKA Nordrhein-Westfalen, des Polizeipräsidiums Köln und des BKA hat sich Gottseidank so ein Top-Secret-Einsatz des SEK mit einem großen Kriegswaffenfund in Köln bisher nicht bewahrheitet.“

Aber wen schert das schon? Die Macher der Steinbach-Quelle erstmal nicht – sie haben natürlich nicht  (was für eine Zumutung für populistische und extremistische Schreiber) am 27. Juli nochmal recherchiert, was der neueste Stand war. Erika Steinbachs Tweet hat deshalb schon bei einigen seinen Erfolg gehabt:

Immerhin gibt es auch Menschen, die gleich misstrauisch wurden und mit Mitteln des Netzes schnell herausfanden, wie unsauber, mit Verlaub gesagt, die Zuträger der Frankfurter Bundestagsabgeordneten gearbeitet haben, deren Recherchen sie aber offenbar nur allzu gerne ungeprüft weiterverbreitet hat:

Und dann erklärte Erika Steinbach am Schluss mit der Miene derjenigen, die eben nurmal gefragt hat:

Ja, ist also mit Vorsicht zu bewerten….. Um das zu herauszufinden, brauchte man gar nicht maliziös die „lieben Medienvertreter“, sondern nur ein ganz kleines bisschen Googeln, Nachdenken und vielleicht mal mit dem Kollegen Tipi telefonieren, mailen, Whatsappen, twittern, facebooken. Und nicht sich irgendwas aus dem großen Sumpf der Propaganda-Seiten herausfischen, – „Aha, so ist das also, ich wusste es ja schon immer und warne in einem fort davor, und jetzt steht es auch hier bei „irgendwasmitNews.dk“ – und das dann mit dem irgendwie immer noch vorhandenen Restrenommée einer Bundestagsabgeordneten einer Regierungspartei ernsthaft in den öffentlichen Diskurs rausblasen.

Medienvertreter können sich zwar manchmal auch ungerne von einer Geschichte verabschieden – „leider totrecherchiert“ – drucken oder senden sie dann aber natürlich doch nicht. Aber vielleicht gelten für die auch strengere Standards als für eine Frankfurter Bundestagsabgeordnete.

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