Redeverbot für Weiße: Voll daneben?

Die junge, noch sehr idealistische Rundfunkreporterin war 1863 von ihrem Sender „Dixie Information Radio (DIR)“ zu einer Pressekonferenz der „Confederate Slaveowners Association“ in Charleston geschickt worden. Ein Routine-Termin: die CSA lud immer anlässlich ihres jährlichen Delegiertentreffens dazu ein.

Neben der Pressesprecherin der CSA saß auf dem Podium nur noch CSA-Chef Harrison LePage; er stand der Presse Rede und Antwort.

Zunächst ging es um allgemein in der Südstaatenpolitik diskutierte Fragen, die von den meist älteren, alteingesessenen Platzhirschen der Lokalzeitungen gestellt wurden:

„Wenn die CSA fordert, die Sklaveneinfuhr aus Afrika um 10 Prozent zu senken, um die Preise zu stabilisieren, wird das nicht den Sklavenmangel verschärfen, über den die Baumwollfarmer schon heute klagen?“
„Wäre es nicht besser, den rechtlichen Status von Sklaven von „Sache“ auf „Tier“ anzuheben, um im Falle einer Tötung höheren Schadenersatz zu bekommen?“.

Schließlich fasste sich die Rundfunkreporterin ein Herz und fragte:

„Mr. LePage: Sind schwarze Menschen nicht genauso Menschen wie wir Weißen auch? Und müsste man deshalb nicht die Sklaverei abschaffen und die Menschen, wie andere Beschäftigte auch, einfach ganz normal und anständig für ihre Arbeit bezahlen?“

Die älteren Zeitungskollegen schauten sich erstaunt an, einige verächtlich, andere verständnisvoll lächelnd. Harrison LePage blieb gelassen und schaute die Journalistin, die in der ersten Reihe am linken Rand saß, mit einem milden Lächeln an: „Sehen Sie: Das ist ein weites Feld, über das wir zu Recht seit langem eine Debatte führen. Auch wir als CSA arbeiten konstruktiv in der Enquête-Kommission des Parlamentes in Richmond mit, die über eine Modernisierung und teilweise Humanisierung des Sklavenstatus berät. Die Diskussionen auch mit den Kirchen, der Wissenschaft und den Menschenrechtsorganisationen verlaufen dabei meist sehr sachlich, und wir konnten uns im Laufe der Arbeit in den letzten zwei Jahren bereits auf einige Eckpunkte verständigen“.

Er legte eine Hand auf die andere und lehnte sich ein wenig in Richtung der Journalistin vor:

„Aber um zu Ihrer konkreten Frage zu kommen: Ich verstehe, dass junge Menschen im Überschwang glauben, dass schwarze Wilde aus Afrika Menschen sind, weil sie von der Statur her uns Weißen ähnlich sehen und sogar auch teilweise unsere europäischen Sprachen sprechen können. Aber das ist eine absurde Überhöhung, aus unserer Sicht sogar eine groteske und deshalb kontraproduktive Verzerrung des Humanitätsgedankens. Und ich kann dazu nur so viel sagen: Wenn wir uns auf solche von einigen weltfremden Träumern an den Universitäten und in Teilen der Presse gehegten Ideen einlassen – Ihr Sender hat sich da in der Vergangenheit auch manchen Fauxpas geleistet – dann sprechen wir da von einem gefährlichen Versuch, unser bewährtes, weißdemokratisches und christliches Wertesystem zu zerstören, was zu einer Destabilisierung unserer südstaatlichen Gesellschaft führen würde. Das wichtigste dabei aber: Erstens würde es unsere blühende durch Plantagen aufgebaute Wirtschaft zerstören und dem Feind im Norden – der genau das will: uns zerstören – exakt das bieten, was er sich wünscht: Eine Selbstschwächung unserer Süd-Nation, eine Selbstauslieferung an die von humanitär-totalitären Ideologen regierten Nord-Staaten, die mit entflohenen Sklaven – bedenken Sie: wir reden von unzurechnungsfähigen Wesen, allenfalls Untermenschen, die rechtlich als „Sache“ gelten – und gehirngewaschenen sogenannten Menschenrechtlern in ihren Reihen letztlich uns zerstören und sich einverleiben würden“.

Die junge Hörfunkjournalistin hatte rote Backen bekommen, schon als sie ihre Frage gestellt hatte. Jetzt schlug ihr Herz wie verrückt, als sie sich wagte, eine Nachfrage zu stellen:

„Mr. LePage: in den letzten Tagen haben in verschiedenen Zeitungen, wie dem „Southern Twitterer“, Schwarze und ihre weißen Unterstützer verlangt, dass darüber, ob ihr Leben auf den Plantagen zumutbar und menschenwürdig sei, nur sie alleine urteilen sollten, und dass Sklavenhalter und auch andere Weiße darüber keine Meinung äußern sollten, weil sie Sklaverei, Auspeitschungen, die willkürliche Trennung von ihren Kindern oder Ehepartnern und andere Demütigungen niemals am eigenen Leibe erlebt hätten: Sie könnten die Lage, in der sich Sklaven befinden, gar nicht nachvollziehen! Haben diese Menschen denn nicht recht? Was wissen denn Sie zum Beispiel als weisser Sklavenhalter davon; wie wollen Sie das beurteilen?“

Der Sklavenhalter-Vorsitzende blieb gefasst, als er antwortete:

„Wissen Sie, Miss…..“

„Laura Martin“,

„Miss Martin: Sie sind noch jung, und ich machen Ihnen persönlich keinen Vorwurf, sondern ich danke Ihnen sogar für diese Frage! Sehen Sie, das, was diese von Ihnen zitierten Personen (und teilweise nach unseren Gesetzen auch „Sachen“) da verlangen, ist ja nichts anderes als uns weißen Nicht-Sklaven einen Maulkorb zu verpassen! Soll jetzt nur noch eine Frau darüber urteilen dürfen, wie schmerzvoll eine Menstruation einzuschätzen ist, und ihr Arzt, der jahrelange Erfahrung als Gynäkologe hat, mit seiner Meinung hinter dem Berg halten? Darf der von einer Pferdekutsche angefahrene Fußgänger sich nicht mehr gegen den unvorsichtigen Kutscher wehren, weil er keine Ahnung von Pferden hat? Habe ich, der von einem Hund gebissen wurde, gegenüber dessen Besitzer zu schweigen, weil ich keinen Hund habe? Sie sehen mit diesen wenigen Beispielen, dass es sich da um einen gefährlichen Angriff auf die Meinungsfreiheit handelt“.

Laura Martin wollte schon das Wort zu einer weiteren Nachfrage ergreifen, als er noch einmal weiterredete:

„Und: Um ihre etwas unverschämte Frage zu beantworten: ICH, als weisser Sklavenhalter, nehme mir durchaus das Recht heraus, die Klagen von Sklaven über angebliche unmenschliche Behandlung zu beurteilen und meine Meinung dazu zu äußern, seien sie dessen versichert!“

Nun mischte sich einer der anderen Journalisten ein:

„Miss Martin: Sie wollen sagen, man dürfe nur noch beurteilen, was man am eigenen Leibe erfahren habe? Das ist doch abenteuerlich!“

„Angst und bange wird es mir da!“ versetzte ein anderer Reporter.

„Sie als Journalistin setzen sich für ein Sprechverbot ein?!“ rief ein dritter Kollege, „pfui!!“

„Wahrscheinlich sollen wir alle, bevor wir über den Humanitätsduslern oder Lincolnilisten ungenehme Themen schreiben und uns eine Meinung dazu anmaßen, von diesen einen Meinungsberechtigungsschein beantragen“, höhnte der erste. „Vorher von einem Presseausschuss aus fünf Sklaven geprüft!!!“ Die Journalistenrunde brach in lautes Gelächter aus.

„So weit kommt es noch, dass nur noch EINE Meinung gelten darf“, sagte nachdenklich der, dem „angst und bange“ geworden war.

„Ja“, versetzte der mit dem „Sprechverbot“: „Und dann dürfte man nur noch der Meinung sein: ‚Sklaven sind Menschen wie die Weißen!‘, ‚Schwarze sollen die gleichen Rechte wie Weiße haben‘, ‚Lynchen ist ein Verbrechen!‘ ‚Ein Plantagenbesitzer darf seiner Sklavin nicht beiwohnen, wenn sie das nicht will!'“

„Ja, das wäre dann womöglich sogar eine ‚Vergewaltigung'“, sagte sarkastisch der erste, und schüttelte immer noch ungläubig seinen Kopf. „So etwas soll man dann NUR noch sagen dürfen, das wäre die Diktatur. Die Diktatur der Sklaven und ihrer ‚Alliierten‘. In so einem unfreien Land möchte ich nicht leben. Gehen Sie doch nach Norden, da reden alle so wie sie, da kriegen sie keine Widerworte!“,

wandte er sich ruhig an die junge Kollegin.

Während der Empörung der älteren Journalisten über die junge Hörfunkreporterin hatte Sklavenhalter-Chef LePage sich erhoben und fragte in das Mikrofon: „Haben Sie noch irgendwelche Fragen an mich?“, und als keine Antwort kam, wandte er sich zum Gehen. Aber dann zog er, im Stehen, doch noch einmal das Mikrofon zu sich hoch:

„Miss Martin, vielleicht wollen Sie in ihrem Sender auch das berichten: Ich bin dieser Tage, an einem Baumwollfeld an einer Gruppe Sklaven vorbeigegangen, die dort arbeiteten. Ich war alleine, und sie wussten wohl nicht, wer ich bin. Das hätten Sie mal hören sollen, was die da unter sich über mich sagten – und dachten ich höre das nicht:

‚Guck mal, das weiße Arschloch da! Bestimmt auch ein brutaler Menschenschinder‘, sagte einer von denen. Und ein anderer: ‚In einer anderen Welt, in der wir die Herrenrasse wären, da würde ich dieses Schwein von morgens bis abends mit der Peitsche drangsalieren, seine Frau in mein Bett zerren, seine Kinder wegnehmen und verkaufen, und ihn jeden Abend gegen einen anderen, viel stärkeren Weißen antreten lassen, der ihn jedesmal grün und blau schlagen würde!‘

So zerrissen sich diese Sklaven das Maul über mich. Glauben Sie mir also: Auch ich weiss, wie es ist, wenn man schlecht über meine Rasse redet! Ich versichere Ihnen: Es hat mich getroffen, und ich habe in dieser Nacht von dem, was die mir antun wollten, geträumt. Das war kein schönes Erlebnis!“.

Der CSA-Chef hatte einen melancholischen Gesichtsausdruck bekommen. Mitfühlend und doch stolz sah ihn seine Pressesprecherin an und berührte sanft seine Schulter.

„Wir werden jetzt drei Tage lang über all das beraten, was uns Sklavenhalter bewegt. Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich an unsere Pressesprecherin Miss Ashley“, sagte LePage, „Tut mir leid, Miss Martin, dass keiner meiner Vorstandskollegen Sklave ist: Ich nehme an, dass SIE deshalb auch keine Stellungnahmen von uns mehr benötigen!“, und dazu lächelte er leicht grimmig, während er seine Papiere zusammenraffte, einen Blick auf sein Smartphone warf und mitsamt seiner Pressesprecherin den Saal verließ.

Fast alle Journalisten hatten sich erhoben. Nur der Kollege des Verbandsblattes „Slaveholders weekly“ saß noch und schrieb schon eifrig auf seinem Laptop einen Bericht über die Pressekonferenz für „slaveholders-weekly.com“.

„Nicht betroffen, also Meinungsverbot!“, sagte der Kollege, der zuerst Laura Martin kritisiert hatte, zu ihr, „denken Sie doch bitte nochmal darüber nach. Sie liegen voll daneben, Fräulein Kollegin“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.