Berlinale, bedenke bitte: Bedeutet „Beast“ beziehungsweise „Bête“ „Biest?“

„Die Schöne und das Biest“ – diese Wortfolge habe ich seit Kindheitstagen im Kopf. Obwohl ich keine der vielen Verfilmungen gesehen habe.  Jean Cocteaus Film mit Jean Marais hieß im Original „La belle et la bête“, der Zeichentrickfilm von Disney „Beauty and the Beast“. Als Kind, als ich nur den deutschen Titel kannte, stellte ich mir immer vor, da gehe es um einen Konflikt zwischen einer schönen und einer zickigen Frau, eben einem „Biest“. Ich habe noch im Ohr, wie meine Mutter über eine Frau, die sie nicht mochte, sagte „Das ist ein Biest!“ So ein „Biest“ stellte ich mir aber nicht hässlich vor, nicht körperlich abstoßend und auch nicht wie ein gefährliches, böses Tier. Man redet ja sogar gerne von einem „süssen Biest“.

Irgendwie fühlte sich „Die Schöne und das Biest“ immer falsch an. Denn es geht ja nicht um ein provokantes, egoistisches Wesen, das Männer und Frauen zur Weissglut bringt, sondern um ein hässliches Scheusal, und die Geschichte lebt davon, dass ausgerechnet dieses absolut hässliche Wesen sich in eine besonders schöne Frau verliebt. Das nennt man doch nicht „Biest“, oder? Die deutsche Sprache hält  dafür auch ein durchaus dem englischen oder dem französischen ähnliches Wort namens „Bestie“ bereit. Manchmal, so lese ich gerade bei Wikipedia, werde Cocteaus Film auf deutsch auch so genannt: „Die Schöne und die Bestie“ oder „Das Untier und die Schöne“.

Aber: Das ist die kaum verwendete Version. Gängig ist die mit dem „Biest“. Und das wird wohl auch so bleiben, denn auch die neueste Verfilmung, die bei der diesjährigen Berlinale welturaufgeführt werden wird, heisst auf deutsch:

Die Schöne und das Biest

Vielleicht liege ich ja völlig daneben, und mir ist einfach DIESE Bedeutungsvariante von „Biest“ nicht bekannt. Im Duden jedenfalls steht nur

„Biest: 1. lästiges, unangenehmes Tier; 2a. durchtriebener, gemeiner, niederträchtiger Mensch; 2b. verwünschter Gegenstand“.

Also, man sagt „Biest“ auch zu einem Tier, aber eben dann, wenn es sich gemein verhalten hat („Das Biest hat mich gestochen!“). Nicht, weil es eklig und abscheulich aussieht.

Anders als andere Wörter (zum Beispiel „to realize“/“realisieren“), finde ich, widersetzt sich das „Biest“ im Deutschen auch einer  Bedeutungsangleichung  mit dem Englischen oder Französischen. Nur eben in dieser einen Wendung wird es so gegen seine sonstige Bedeutung verwendet.

Vielleicht fühlt sich für mich die Wendung auch nur deshalb so falsch an, weil sie nichtmal die Alliteration (B-B)  wiedergibt, wie im Englischen  oder Französischen. Denn „Beauty“ oder „Belle“ wird im Deutschen zu „Schöne“. Deshalb würde doch eigentlich eine Lehnschöpfung mit Alliteration den poetischen Gehalt des Titels viel genauer und besser übersetzen: „Die Schöne und das Scheusal“ zum Beispiel. Ich glaube, wahrscheinlich ist es sogar genau das, was mich am meisten an „Die Schöne und das Biest“ stört: Dass jemand beim Übersetzen quasi auf halbem Wege stehengeblieben ist: Für „Bête“ oder „Beast“ hat er „Biest“ genommen, weil es mit B anfängt (und „Bestie“ fiel ihm irgendwie nicht ein); für „Belle“ oder „beauty“ war er dann zu faul, ein entsprechendes Wort mit „B“ im Deutschen zu suchen.

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